Freiheit wertschätzen lernen

27. Juli 2013

Besuchergruppe mit Bundestagskandidatin Dr. Daniela DeRidder, sowie die Leitung der JVA Damaschke

Was Freiheit bedeutet, lernen die Insassen der Justizvollzugsanstalt (JVA) Lingen- Damaschke sehr schnell wert zu schätzen, obgleich es hier kaum vergitterte Fenster gibt.

Im Rahmen der “Ferienfraktion” ließen sich die Lingener GenossInnen gemeinsam mit der Bundestagskandidatin der SPD, Dr. Daniela De Ridder und weiteren Teilnehmern in Lingen-Damaschke über den offenen Vollzug informieren. Unabdingbare Voraussetzung über die Eignung für den offenen Vollzug, so erfuhren die Besucher von Roland Schauer, dem Leiter der JVA, sei eine individuelle Überprüfung unter Berücksichtigung von Sozialisation, Persönlichkeit, Suchtgefährdung, strafrechtlicher Auffälligkeit und sozialem Umfeld.

Beschlich die Besucher zunächst ein Gefühl von Berührungsängsten mit den
Bewohnern, so wurden diese dank der fachkundigen Führung, zu der auch der
Besuch der Kapelle gehörte, und Gesprächen mit den Häftlingen rasch abgelegt.
Schauer betonte derweil, dass es sich hierbei nicht um einen „Hotelvollzug“
handele, da beispielsweise Freigänger einen Teil ihrer Haftkosten selbst tragen
müssten und streng kontrolliert werde, wer zu welchem Zeitpunkt das Haus
verlasse. Die Häftlinge lernten hier, wieder mehr Eigenverantwortung zu
übernehmen; oberstes Ziel sei nicht, zu bestrafen, sondern eine Resozialisierung.
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Edeltraut Graeßner, langjährige
Mitarbeiterin von Elke Müller, freute sich über die nach wie vor hohe Wertschätzung
der ehemaligen Landtagsabgeordneten durch den Anstaltsleiter. Aus eigener
Erfahrung konnte sie deren ganz besonderen Einsatz für Polizei und Strafvollzug in
Niedersachsen – und hier besonders im Emsland und Lingen bestätigen.
Dr. Daniela De Ridder zeigt sich erfreut über die gebotenen Lernmöglichkeiten, die
von Alphabetisierung über das Nachholen von Schulabschlüssen bis hin zu
Ausbildungen wie etwa Koch, Gärtner oder Tischler reichen: „Es ist sehr
lobenswert, dass Menschen hier eine Ausbildung absolvieren können, die
anderswo aufgrund ihrer Vorgeschichte möglicherweise keine Chance bekommen
hätten. Solche Formen der Resozialisierung und der Präventionsarbeit müssten
noch weitaus mehr gefördert werden.“
Zudem lobte sie das Freizeitangebot für die Häftlinge, besonders die in Eigenregie
der JVA entwickelte Kunstwerkstatt, bei denen die Häftlinge sich als Steinmetze
betätigen könnten.
Auch das sozialtherapeutische Angebot finde ihre Unterstützung, erklärten die
SPD-Politiker: Ziel der Sozialtherapie sei es, die Gefangenen in die Lage zu
versetzen, Anforderungen in Familie, Schule, Freizeit, Freundeskreis, Arbeit zu
akzeptieren und zu bewältigen. Es komme, so De Ridder, eben nicht nur darauf an,
den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen, sondern sich auf verschiedenste
Weise auszudrücken zu lernen. „Manche Menschen brauchen einen radikalen
Bruch mit dem Milieu, aus dem sie kommen, um nicht erneut zu Straftätern zu
werden. Und sie benötigen die Vermittlung von Werten und der Sinnhaftigkeit ihres
Tuns. Ich finde das Prinzip der Resozialisierung, dass den Häftlingen erlaubt, ihre
sozialen Beziehungen aufrecht zu halten für die Eingliederung nach der
Entlassung für unabdingbar“, sagte De Ridder überzeugt.Entlassung für unabdingbar“, sagte De Ridder überzeugt.
Wie viele der Ehemaligen wieder rückfällig würden, sei laut Schauer statistisch
kaum erfassbar, aber die Erfahrungen seien zumeist positiv. Generell trage auch
die Gesellschaft eine Verantwortung, damit ehemals Straffälligen sich wieder
vollständig eingliedern könnten. In diese Kerbe schlug Edeltraut Graeßner, die
gleichzeitig Vorsitzende der Lingener Tafel e.V. ist: “Wir beschäftigen auch immer
wieder Freigänger aus dem offenen Vollzug ehrenamtlich. Und ich muss sagen,
dass wir in den Zeiten unseres großen Umbaus die “Handwerker” (z. B. wegen
Autoknackens verurteilte Personen) sehr gut gebrauchen konnten und ihnen Wege
aufzeigen konnten, dass sie mit ihren Fähigkeiten auch auf ehrlichem Wege Geld
verdienen können”.