SPD Fraktion: Haushaltsrede zum Doppelhaushalt 2014 / 2015

5. Mai 2014

Dr. Bernhard Bendik der Vorsitzende der SPD Fraktion im Rad der Stadt Lingen

heute steht die Verabschiedung der Haushalte 2014 und 2015 an. Erstmalig ein Doppelhaushalt. Auch wenn wir uns gegen den Doppelhaushalt ausgesprochen haben, so haben wir die Mitarbeit nicht verweigert und uns viele Stunden mit den Vorlagen auseinander gesetzt.

Wir gehen davon aus, dass der Doppelhaushalt nicht zur Normalität in der Stadt wird. Immerhin soll nach Beschlusslage aus dem Finanzausschuss der Haushalt 2016 bereits in 2015 verabschiedet werden.

Gerade weil durch den Doppelhaushalt eine Weichenstellung bis Ende 2015 erfolgt, beklagen wir, dass unsere Initiative in den Beratungen zu den Teilhaushalten in den Fachausschüssen sich nicht nur über die Einnahmen, Ausgaben, Erlöse und Aufwendungen zu unterhalten, sondern auch Kennzahlen und Ziele zu formulieren kein Gehör fand. Die Verwaltung erhält damit einen größeren Spielraum auf Kosten des Primats der Politik. Die erhöhte Transparenz für die Bürgerinnen, die Bürger und die Anspruchsgruppen bleibt aus. Die mögliche effizientere und effektivere Steuerung der öffentlichen Leistung durch den Rat wird es also für die nächsten zwei Jahre nicht geben. Wir nehmen zur Kenntnis, dass die Chancen der Doppik bei den politischen Mitstreitern noch nicht angekommen sind. Die Erkenntnis, dass man einen Haushalt nicht nur nach den Grundsätzen des Rechnungswesens bewertet, muss sich noch herumsprechen. Die acht wichtigsten nicht monetären Ziele der SPD-Stadtratsfraktion, die wir in den Fachausschüssen kommuniziert haben, geben wir hiermit zu Protokoll:

Das erste Ziel lautet: Die Kindergartengebühren werden in den nächsten zwei Jahren nicht erhöht. Sofern eine Erhöhung ansteht, dürfen sie bereits heute zur Kenntnis nehmen, dass die SPD-Stadtratsfraktion einer Erhöhung nicht zustimmen wird.

Das zweite Ziel lautet: Nicht die Landschaftssäuberungsaktion als gute Massen-bewegung zu feiern, sondern die Schwerpunkte der Verunreinigung zu identifizieren und Gegenmaßnahmen zu entwickeln.

Das dritte Ziel lautet: Konkret den Anteil im Haushalt festzuschreiben, der mit den im Haushalt eingestellten Mitteln beim Umbau der Straßenbeleuchtung auf Energieeinsparung zu erreichen ist.

Das vierte Ziel lautet: Die Sportförderung der Jugend in den Ortsteilen soll an die Jugendförderung Förderung in der Kernstadt angeglichen werden.

Das fünfte Ziel lautet: Der Eigenanteil der Eltern zum Mittagessen in den Schulen wird in den nächsten zwei Jahren nicht erhöht. Sofern eine Erhöhung ansteht, dürfen sie bereits heute zur Kenntnis nehmen, dass die SPD-Stadtratsfraktion einer Erhöhung nicht zustimmen wird.

Das sechste Ziel lautet: Wir wollen weiter die Horte erhalten.

Das siebente Ziel lautet: Die städtische Friedensschule muss schülermäßig höher liegen als die Schülerzahl an der Marienschule; nach den uns neuerdings vorliegenden Zahlen unterschreiten die Schülerzahlen der Friedensschule die der Marienschule; wir wollen keine städtische Restschule!
Bei den Schulen wird der Wettbewerb zwischen den Schulträgern betont. Was bei den Schulen gilt, sollte auch bei den Kindergärten so angewendet werden. Auch hier scheint die Zeit reif, sich Gedanken über zusätzliche Trägerschaften zu machen.

Das achte Ziel lautet: Wir sind für eine Bestandsgarantie der Grundschulen
Der Personalhaushalt ist einer der größten Haushaltsansätze. Geradezu eine Einladung, hier den Rotstift anzusetzen. In der Industrie wird dann zu Outsourcen und Werksverträgen gegriffen. Das sind nicht unsere Vorstellungen. Die eigentliche Frage wird nicht gestellt, übernehmen wir seitens der Stadt Aufgaben, die eigentlich in die Trägerschaft anderer Körperschaften gehören? Leider ja: Beispielhaft möchten wir die Schulsozialarbeiter und die Mitarbeiter im Jugendamt nennen. Weil wir beide Aufgaben als wichtig ansehen, tragen wir diese Personalkosten mit. Aber auch die Übernahme unserer Azubis ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Damit nimmt die Stadt als Arbeitgeber auch eine Vorbildfunktion ein.

Was nicht sichtbar wird ist die Tatsache, dass Personalkosten auch in den Zuschüssen zu den Vereinen, Verbänden und Organisatoren enthalten sind. So zahlen wir erhebliche Zuschüsse zu den Trägern der Kindergärten, es handelt sich um Personalkosten, die als allgemeiner Zuschuss allerdings nur im Haushalt stehen.

Wenn wir schon einmal beim Personal sind: Wir sind davon überzeugt, dass ein ehrenamtlicher Denkmalschutzbeauftragter eine Bereicherung für die Stadt wäre. Daher regen wir Sozialdemokraten an, dass ein ehrenamtlicher Denkmalschutzbeauftrager ernannt wird. Insgesamt ist der Denkmalschutz in der Stadt neu zu ordnen. Denn für uns unbegreiflich ist, dass die Aufgaben des monetären Denkmalschutzes in der Hand des Fachbereichsleiters Umweltschutz liegen. Wenn überhaupt, dann befasst sich der Planungsausschuss mit dem Thema, aber nicht der Umweltausschuss. Der Denkmalschutz ist also nicht transparent in der Stadt organisiert. Wo stehen wir beim ehrenamtlichen Beauftragten für die Schwerbehinderten? Wir richten uns hiermit auch an die Bevölkerung Vorschläge zu unterbreiten.

Natürlich enthält der Haushalt auch einige Fehlentwicklungen: Die Ausgaben für den Erwerb des Grundstückes im Altenlingener Sportzentrum von mehreren hundert Tausend Euro halten wir für einen Fehler. Denn die Stadt muss sich genau für diesen Betrag verschulden. Wenn es uns aber gelingt in der Stadt im Fußballbereich das konkurrierende Ortsteildenken zu überwinden und stattdessen einen FC-Lingen für das gesamte Stadtgebiet zu Stande bringen, können wir unsere Einstellung zum Kunstrasen überdenken. Wir haben kein Verständnis zur Schließung der Mensa in den Semesterferien und die fehlende Öffnung für die Bevölkerung. Immerhin hat sich die Stadt mit erheblichen Mitteln am Bau beteiligt. Wir Sozialdemokraten stehen auch für eine gleichwertige Anerkennung von verschiedenen Ausbildungswegen und bedauern, dass wir neben dem Förderpreis für Studierende, gerade vor dem Hintergrund des zu erwartenden Fachkräftemangels, keinen Förderpreis bei den Meistern und Technikern durchsetzen konnten.

Der Oberbürgermeister hat sich, und das möchten wir an dieser Stelle positiv hervorheben, persönlich um unser Votum bemüht. In all den Jahren habe ich zum ersten Mal erlebt, dass sich der erste Spitzenbeamte der Stadt im Vorfeld um die Zustimmung der SPD zum Haushalt persönlich bemüht hat.

Der Haushalt zeigt aber auch, dass das Lili-Projekt bis Ende 2015 gesichert ist. Wir erinnern uns an die Diskussion im letzten Jahr und stehen positiv zu diesem zukunftsgerichteten Meilenstein der Stadt. Es wird weiter in wichtige Infrastruktur investiert. Beispielhaft sei die Sanierungsarbeit am und im Theater genannt. Man hätte sie auch weiter verschieben können mit der Folge, weiterhin keine optimale Einbindung der Menschen mit Behinderung zu haben, die Energiekosten wären weiter gestiegen und das Dach weiter undicht. Die Modernisierung des alten Ärztehauses ist überfällig und es wird nicht abgerissen wie einmal angedacht. Die Feuerwehrgebäude werden aufgrund der altersbedingten Schäden und Abnutzungen in Teilbereichen baulich und energetisch saniert. Ein Verschieben halten wir für falsch.

Die Wirtschaft wächst, die Beschäftigtenzahlen sind hoch und die Steuerquellen sprudeln, auch wenn sie in Lingen nicht gerade alle Dämme einreißen. Allerorten eitel Sonnenschein? Nein, die Stadt Lingen hat sich der regionalen Kooperation, die auf eine Initiative der Stadt Rheine zurück geht und der 18 Kommunen beigetreten sind angeschlossen. In den kommenden Jahren können durchaus 6000 Arbeitsplätze in der Region wegfallen und Lingen ist dabei auch betroffen. Als Beispiele seien der Abzugs der Bundeswehr in Rheine genannt, die Schließung der Zeche in Ibbenbüren und auch die Abschaltung des Kernkraftwerkes. Den Schlachthof hat es bereits erwischt.

Aus der Initiative leiten wir auch einen Handlungsbedarf für Lingen ab. Mit dem Innovationsfonds von je 50.000 Euro in 2014 und 2015 wollen wir dem Strukturwandel in Lingen Rechnung tragen. Damit wollen wir die bisherigen klassischen Wege der Wirtschaftsförderung erweitern und somit die Möglichkeit schaffen, Initiativen in Bereichen der technologischen Entwicklung, der Optimierung von Prozessen und Techniken, aber auch durch Mietzuschüsse für einen begrenzten Zeitraum bei Existenzgründern mit einem verlorenen Zuschuss zu fördern. Förderkriterien haben wir nicht genannt. Ob auch noch Förderkriterien niedergeschrieben werden sollen, wird die Diskussion in den kommenden Wochen zeigen.

Unter der Überschrift „Stadtwerke veranlassen 189 Stromsperren“ wird in der LT am
23. April der Geschäftsführer Erno Ester wir folgt zitiert: „Fakt ist, dass die Energieversorgung, sei es nun Strom oder Gas, extrem teuer geworden ist. Und für einen Haushalt, der mit jedem Cent rechnen muss, kann das schon zu einer Belastung führen.“ Und Herr Zapf vom SKM ergänzt mit den Worten „Die Stromabschaltung ist im Grunde menschenunwürdig. Ohne Strom gehe dauerhaft nichts. Das ist etwas für Sozialromantiker.“ Zwar hält Zapf Initiativen zum Energiesparen, wie beispielsweise die Abwrackprämie für alte energiefressende Kühlschränke, für prinzipiell richtig. Aber gerade einkommensschwache Haushalte könnten sich den Kauf von energiesparenden Geräten und Lampen trotzdem oft nicht leisten.“ Aus diesem Grunde sind wir froh, dass unser Vorschlag hier eine finanzielle Unterstützung zu schaffen, eine Mehrheit gefunden hat. Jetzt heißt es, Details auszuarbeiten und ins familienpolitische Programm einzufügen.

Die Lingener Tafel e. V. hat einen Zuschuss von 25.000 € für den Ausbau des Bolzplatzes an der Kardinal-von-Galen-Straße erhalten. Das Geld stammt aus der Benefiz-Aktion des NDR “Hand in Hand für Norddeutschland”. Die Tafel hatte dort einen Antrag für den oben genannten Bolzplatz gestellt und dazu die Power-Point-Präsentation der jungen Leute vom Abenteuerspielplatz, die diese im Rahmen des “Demokratieführerscheins” erstellt hatten, mit eingereicht. Der Antrag der Tafel richtete sich konkret -nach den Wünschen der Jugendlichen- auf einen Zaun und die Aufstellung einer Aufenthaltshütte. Wir freuen uns, dass alle Fraktionen den Antrag auf Co-Finanzierung durch die Stadt mittragen.

Auch wenn der Wirtschaftsplan der Wirtschaftsbetriebe heute nicht zur Diskussion steht, so verfolgen wir die Entwicklung mit Sorge. Den Wirtschaftsbetrieben sind zu viele Aufgaben aufgebürdet worden, so dass sie seit Jahren keine Gewinne machen. Ohne schlüssiges Konzept werden wir dem nächsten Wirtschaftsplan nicht mehr zustimmen können.

Lassen Sie mich zum Schluss noch in eigener Sache sprechen: Schon immer hatte die Verwaltung im Verhältnis zu den politischen Gremien einen Informations- und Kompetenzvorsprung. Das politische Ehrenamt ist trotzdem durch nichts zu ersetzen. Auch wir Kommunalpolitiker sind nicht immer gut angesehen. Dennoch der Zeitaufwand für unsere Arbeit ist immens. Ca. 8000 Seiten müssen wir jedes Jahr an Vorlagen, Protokollen und Gutachten lesen und viele Stunden verbringen wir in Sitzungen. Nicht alles was bisher ehrenamtlich möglich war, können wir weiter leisten. Die Konsequenz ist, dass die Macht sich gegen unseren Willen weiter zur Verwaltung verschieben wird. Wir stehen für ein starkes politisches Ehrenamt, zu dem es keine Alternative gibt. Aus diesem Grunde regen wir an, Zuarbeit für die ehrenamtlich arbeitenden Fraktionen durch eine personelle Ausstattung zu ermöglichen. Nur so wird die demokratische Idee weitergetragen und verhindert, dass bezahlte Verwaltungsbeamte mehr und mehr Macht zu Lasten der ehrenamtlichen Politiker und Politikerinnen gewinnen.

Fazit: Wir haben in den Ausschüssen unsere ablehnende oder zustimmende Meinung zum Ausdruck gebracht. Wir wollen nicht nur Pflichtaufgaben erledigen, sondern mit den vorhandenen Steuermitteln die Wettbewerbsfähigkeit der Stadt gegen eine immer stärkere Konkurrenz der Nachbarkommunen erhalten und ausbauen. Wir wollen örtliche Gemeinschaften erhalten und das ist uns schon den einen oder anderen Euro wert. Wir wissen sehr wohl, dass Geld eine hässliche Eigenschaft hat: Es ist nie genug da! Und deshalb werden wir mit den anderen Fraktionen und der Verwaltung intensiv an der Aufgabenkritik weiterarbeiten.
Das Minus im entscheidenden Ergebnisplan der sogenannten doppischen Buchführung sieht ziemlich rot aus. Jedoch über einen größeren Betrachtungszeitraum ist es ausgeglichen, ebenfalls eine Möglichkeit, die die Doppik zulässt. Das Minus könnte aber auch geringer sein, wenn der Kreis sich nicht auf Kosten seiner Kommunen in den letzten Jahren entschuldet und Kreisumlage in diesem Jahr um mindesten 2 Prozentpunkte gesenkt hätte. Dennoch sehen wir keinen Grund jetzt kopflos zu werden und Panik zu verbreiten. Wir stimmen dem Haushalt zu. Foto: © SPD