Flüchtlinge: Warum Weil sagt, was die CDU sich nicht traut

18. Januar 2016

„Angela Merkel wird sich korriegieren müssen“: Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil – hier bei der Präsentation einer Pro-Flüchtlings-Kampagne – verliert in selber Frage die Geduld mit Kanzlerin und Bundesregierung. Foto: dpa

KOMMENTAR: Von Burkhard Ewert

Kurswechsel in der SPD? Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil überholt die Kanzlerin rechts und sagt, was die CDU sich nicht traut. Warum das bitter nötig war – ein Kommentar. Vor einem halben Jahr fanden Gemeinden viel Aufmerksamkeit, weil sie Gratis-Schwimmkurse für Flüchtlinge anboten. Jetzt hat das rheinische Bornheim ein Schwimmbad-Verbot für männliche Asylbewerber erlassen. Grund ist die fortlaufende sexuelle Belästigung anderer Badegäste.

Es bleibt bei einer Million.

Wenig illustriert den Wandel in der deutschen Wirklichkeit und Wahrnehmung besser als dieser Schritt einer Kleinstadt, deren Sozialdezernent ein Grüner und deren Bürgermeister ein friedensbewegter Sozialdemokrat mit jahrzehntelanger Verwaltungserfahrung ist. Und so spricht aus Stephan Weils markigen Worten in diesen Tagen auch die pure Verzweiflung. Der niedersächsische Ministerpräsident weiß: 3000 Zuwanderer pro Tag machen immer noch eine Million Menschen im Jahr aus, und es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Zahl gegenwärtig aus einem anderen Grund als dem Wetter vorübergehend etwas niedriger wäre als bis in den späten Herbst hinein.
Fehlstart der Integration

Ebenso gibt es keinen Anlass anzunehmen, dass die Integration, die doch so rasch und radikal anlaufen sollte, sonderlich gut funktionieren würde. Die Bescheide brauchen ewig, ein beträchtlicher Teil der Flüchtlinge verweigert sich, die schiere Menge macht jedes vertiefte Bemühen zunichte. Parallel drängt die Zeit auch deshalb, weil sich die weltweite Wirtschaftslage dramatisch einzutrüben beginnt. Eine Million Asylbewerber in Boomzeiten sind noch einmal eine ganz andere Sache als bei einer Arbeitslosigkeit von acht Prozent oder mit der direkten Folge höherer Steuern und Sozialbeiträge. Spätestens dann würde Angela Merkel mit ihren offenen Grenzen in Deutschland endgültig auf Granit beißen – international geschieht dies ja ohnehin.

Schwächung der SPD

Frustriert ist Weil auch, weil die Politik des vergangenen Jahres die Extreme stärkt und die SPD schwächt. Während die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel die Sozialdemokraten nun auch beim Thema Flüchtlinge links überholt, wenden sich diejenigen sowohl von Rot als auch von Schwarz endgültig ab, die der rosaroten Sicht der Sache von Beginn an misstrauten.

Die Mitte muss gehalten werden

Was Weil also versucht, ist, neben dem harten Kern der Ausländerfeinde, die er eh nicht erreicht, und dem Anteil derer, die ohnehin alles wunderbar finden und betroffen sind von der plötzlichen Schärfe, jene 80 Prozent für die zivilgesellschaftliche Herkulesaufgabe der Integration zu halten und zu gewinnen, die keineswegs Nationalisten oder Neider sind, weil sie darauf hinweisen, dass andere – alle – Länder anders vorgehen als Deutschland. Oder die aus praktischer Erfahrung und nicht gutem Glauben wissen, dass mit muslimischen Jugendlichen gravierende Integrationsprobleme bevorstehen. Oder die nach einem halben Jahr freundlich fragen, wann sie vielleicht einmal wieder ihre Turnhalle selbst nutzen können. In diesem Sinne sagt Weil, was die CDU sich nicht traut