Bernhard Bendick´s Haushaltsrede der SPD-Fraktion zum Haushalt 2017 der Stadt Lingen

7. Mai 2017

 

Bernhard Bendick, SPD-Fraktionsvorsitzende der Stadt Lingen

Die SPD wird dem Haushalt zustimmen und geht davon aus, dass unsere kritischen Anmerkungen ein Anstoß zum Umdenken sind.

Bevor die Verwaltung ihren Haushaltsvorschlag den Fraktionen zur Beratung und Abstimmung vorlegt, sollte sie sich die Fragen stellen, welche Ziele stehen an und mit welchen Mitteln über welchen Zeitraum sollen sie umgesetzt werden? Das heißt nach unserer Auffassung, zuerst müssen die Ziele formuliert werden. Wer dann das vorgelegte Werk genauer betrachtet, wird feststellen, Ziele formulieren ist nicht gerade die Stärke der Verwaltung. Daher ist für uns die Beratung besonders schwer gewesen. Denn ausschließlich anhand von Zahlen und der mittelfristigen Finanzplanung die Richtung der Verwaltung zu erkennen ist nicht einfach.

Hier Beispiele, wie die Ziele im Haushalt formuliert sind:

Im Teilhaushalt “Soziales und Jugend” heißt ein Ziel “Ausbau und Flexibilisierung der Kindertagesbetreuung”. Die Kennzahlen der letzten Jahre sind wie folgt: 2012 46,6% Kinderbetreuung; 2013 47,6% Kinderbetreuung, 2014 47,7% Kinderbetreuung und 2015 45,8% Kinderbetreuung. Sieht so der Ausbau der Kinderbetreuung aus, dass der Anteil der Kinderbetreuung sinkt?. Das kann und darf nicht wahr sein!

Im Teilhaushalt “Gesundheit und Sport” lautet ein Ziel “wirtschaftliche Betriebsführung der Sportanlagen”. Das Ergebnis der letzten Jahre zeigt 2012 742 €, 2013 759 €, 2014 780 € und 2015 808 €. Wirtschaftliche Betriebsführung bedeutet also steigende Ausgaben. Das kann und darf nicht wahr sein.

In der Wirtschaftsförderung finden wir das Ziel “Sicherung und Schaffung dauerhafter Arbeitsplätze”. Warum wird nicht das Ziel formuliert, “Sicherung und Schaffung tarifgebundener Arbeitsplätze”. Warum der Verzicht auf den Qualitätszusatz tarifgebunden?

In diesem Jahr haben wir von der SPD-Fraktion keine Zielvorschläge gemacht, weil die Verwaltung und die anderen Fraktion bisher klar gezeigt haben, dass die Formulierung von Zielen für sie keine Ziele sind.

Steuereinnahmen

Kommen wir zu den Einnahmen. Da lesen wir im Haushalt, die Einnahmen durch die Grundsteuer betragen 8,2 Mio. € und durch die Gewerbesteuer 30 Mio. €. Von beiden Steuereinnahmen verbleiben uns wegen der gesetzlichen Vorgaben von der Grundsteuer 800.000 € (Tendenz sinkend) und von der Gewerbesteuer 6 Mio. €, ebenfalls Tendenz sinkend. Wie diese Lücke mittelfristig geschlossen werden soll, dazu gibt es keine Signale aus der Verwaltung.

Suchtprävention durch Steuereinnahmen

Schauen wir in die Vergangenheit. Im Jahr 2015 hat, auf Vorschlag der CDU, der Rat die Erhöhung der Spielgerätesteuer beschlossen. Lautstark hat die CDU seinerzeit verkündet, dass ein Teil der Mehreinnahmen für die Suchtprävention eingesetzt werden soll. Euren Antrag haben wir bis heute nicht gesehen, obwohl die Steuereinnahmen fließen und die Suchtprävention wichtiger denn je ist.

Sport

Die Stadt unterhält in 11 Sportzentren insgesamt 40 Fußballfelder. Neben den 39 Rasenplätzen gibt es einen Kunstrasenplatz. Ein Schritt in die Zukunft? Vielleicht ja, aber wir haben uns seinerzeit gegen den Kunstrasen beim TUS ausgesprochen, weil wir uns nicht vorstellen konnten, wie der TUS die versprochene Eigenleistung stemmen wird. Die Uhr zeigte bereits zum Zeitpunkt der Abstimmung, dass der TUS kurz vor dem Schlusspfiff steht. Neben dem bereits erfolgten Zuschuss wird die Stadt jetzt auch noch die Spielfeldbegrenzung finanzieren, so 38.000 €. Unverständlich für uns, da das Kunstrasenfeld auch ohne die Spielbegrenzung auskommt und genutzt werden kann.

Lili-Bus

Nach der zweijährigen Einführungsphase von Lili haben die Ortsräte ihre Mitfinanzierung ab dem Jahr 2016 auf 1 € gesenkt. Aktuell diskutieren die Ortsräte wieder um ihren finanziellen Beitrag für das Jahr 2017. Unbegreiflich, dass es wieder nur 1 € werden soll. Dabei profitieren besonders die Bürgerinnen und Bürger in den Ortsteilen vom öffentlichen Personennahverkehr. Denn auch in den Schulferien fährt Lili zu verlässlichen Zeiten. Während sich die Ortsteile über die Lili-Anbindung nicht beklagen können, ist die Anbindung von Goosmannstannen – milde ausgedrückt – schlecht. Gerade für diesen Stadtteil, in dem sicherlich nicht die betuchtesten Bürgerinnen und Bürger wohnen, muss die Anbindung kurzfristig verbessert werden.

Im Industriepark Süd ist vor Rosen ein schönes Wartehäuschen aufgestellt worden. Nur wenige 100 Meter weiter bei EMP, wo sicherlich nicht die höchsten Gehälter gezahlt werden, gibt es kein Wartehäuschen. Hier steht man sprichwörtlich im Regen. Dennoch stehen wir wie eine Mauer zum Lili-Angebot, das nicht mehr aus der Stadt verschwinden darf.

Ortsräte

Die Ortsräte haben erhebliche Beträge auf der “hohen Kante” liegen. Dieses Thema beschäftigt uns hier in jedem Jahr immer und immer wieder und wir hören als Argument, dass die Ortsräte in ihrem Verantwortungsbereich Investitionen tätigen, für die entsprechende Mittel notwendig sind, die über einen langen Zeitraum angespart werden müssen. Gut sagen wir, dann nennt doch diese Investitionen beim Namen. Da wir eine befriedigende Antwort bisher nicht erhalten, fragen wir uns, werden diese Informationen nicht weitergeleitet oder sind sie doch nur vorgeschoben? Ein Beispiel: Der Ortsrat Schepsdorf möchte die Nordhorner Straße verändern, so dass dort keine LWKs mehr parken können. Ein Beschluss wurde im Ortsrat getroffen, dass man Ortsratsmittel für die Planung beisteuern will. Hat jemand was davon in einem Ratsgremium gehört? Nein, natürlich nicht. Und wie sieht es mit den anderen Ortsratsbeschlüssen aus? Hier erwarten wir von der Verwaltung auch die Information über getroffene Beschlüsse.

Altes Stadtgebiet

Blicken wir zurück auf die Kommunalwahlen 2016. Die Wahlbeteiligung im städtischen Kern ist besorgniserregend gering. Die Menschen vor Ort fühlen sich von uns nicht mehr verstanden und vertreten. Die Stadtteilvereine können das bestehende Defizit eines fehlenden Ortsrates nicht ausgleichen. Wir fordern die CDU zu einem Umdenken auf und ihre Blockadehaltung aufzugeben. Nur so können wir verhindern, dass populistische Politik dort einen gedeihlichen Nährboden vorfindet und auch gedeihen wird.

Familienpolitisches Programm oder Sozialpass

Das familienpolitische Programm kennt mehrere Vergünstigungen für Familien. Unter anderem gewährt es einen Zuschuss zu den Abwassergebühren und für die Stromkosten. Die Verwaltung teilt uns gerne mit, wenn Haushaltsansätze nicht ausgeschöpft wurden, um uns zu zeigen, wie sparsam sie wirtschaftet. Bei diesem Haushaltsansatz sehen wir Sozialdemokarten das vollkommen anders und fragen uns, warum wird das Geld nicht ausgegeben? Es gibt so viele Wege hier tätig zu werden, zumal es viele Leistungsberechtigte gibt. Wir schließen daraus, dass das familienpolitische Programm seitens der Verwaltung keinen großen Stellenwert hat. Anstelle den Ansatz von 10000 € auf 5000 € zu reduzieren, hätten wir Vorschläge erwartet, wie diese Leistung dem betroffenen Personenkreis bekannt gemacht werden kann (in 2016 ca. 3000 € ausgegeben).

Schulpolitik

In der Schulpolitik wird seitens der Stadtverwaltung und der Mehrheitsfraktion gerne das breitgefächerte Schulangebot der Stadt erwähnt. Ein weiterer Punkt ist der Hinweis auf den Elternwillen. Hört sich toll an. Und wie sieht die Realität aus? Die Gebrüder-Grimm-Schule wurde geschlossen, Abschreibungen von 120.000 € pro Jahr für das Gebäude. Beim Bau der Friedensschule in den 1990er Jahren wurde uns damaligen Ratsmitgliedern gesagt, dass die Klassenräume 6 qm größer sind als vom Gesetzgeber gefordert. Diese Zusatzgröße wurde nicht von der Kreisschulbaukasse gefördert. Heute werden Kinder, wenn es gut geht, in umgewandelten Fachräumen und somit zu kleinen Klassenräumen unterrichtet. Die private Marienschule ist in einem städtischen Gebäude untergebracht. Mieteinnahmen Fehlanzeige. Für Baumaßnahmen zahlen wir noch Zuschüsse. Die Marienschule hat sich bisher bei der gesellschaftlichen Aufgabe hinsichtlich der Beschulung von Flüchtlingskindern und Inklusionskindern nicht beispielgebend hervorgetan. Besser sieht es da bei der Mosaikschule des Christophoruswerkes (ebenfalls privat) aus, die für die Nutzung von Schulräumen in verschiedenen städtischen Schulen immerhin eine Miete von 30.000 € pro Jahr zahlt. Die Gesamtschule hat eine Obergrenze bei der Aufnahme von Lingener Kindern. Wir sehen keine Aktivitäten, dass die Obergrenze aufgegeben werden soll. Und die Friedensschule? Sie steht natürlich allen offen, komme da nur nicht einer auf den Gedanken, hier die Begrifflichkeit „Rest und Schule“ zu wählen.

Bauplatzausweisung

Die Beschaffung von bezahlbarem Wohnraum ist ein Dauerthema in den letzten Jahren und das zu Recht. Die Ortsräte fordern immer wieder neue Baugebiete, auch um die örtliche Infrastruktur Grundschule und Kindergarten zu erhalten. Wenig bis keine Beachtung fanden bisher die unbebauten Grundstücke, die erhebliches Potential sind. In einigen Ortsteilen übersteigt die Summe der unbebauten Bauplätze die Größe eines Baugebietes. Hier beklagen wir, dass die Infrastruktur wie Gas-, Strom-, Wasser- und Abwasserversorgung vorhanden ist, aber nicht genutzt wird und es scheinbar keinen stört. Wir fordern die Ortsräte auf, ihre Anstrengungen darauf auszurichten, dass dieses Potential gehoben wird, bevor nach neuen Baugebieten geschrien wird. Ein Umdenken erwarten wir auch von der Verwaltung, das gesamte Potential an Bauplätzen in die Listen für die Ortsräte mit aufzunehmen und nicht nur die städtischen Bauplätze.

Wesentliche Gründe für die Zustimmung zum Haushalt:

  1. Bahnhofgebäude: Der Kauf des Bahnhofgebäudes. Wir wissen, dass dort noch erheblich investiert werden muss. Wir haben das Heft des Handelns in der Hand, nicht ein Investor.
  2. Jung kauft Alt: Mit dem Förderprogramm “Jung kauft Alt” erreichen wir, dass Neubauflächen nicht unnötig ausgewiesen werden müssen, das Interesse junger Familien auch auf den Altbaubestand gelenkt wird, der Abriss von alten Gebäuden nicht zwangsläufig nach einem Kauf erfolgt und somit auch der Charakter der Wohngebiete erhalten bleibt. Insofern stehen in 2017 75.000 € zur Verfügung.
  3. Förderung von bezahlbarem Wohnraum: Die zusätzlichen Mittel von 100.000 € sind ein wichtiger Bestandteil, endlich auf diesem Gebiet in die merkbare Umsetzphase einzusteigen.
  4. Marketing: Die Stadt verfügt über eine gute Infrastruktur im Gewerbe, industriellem Bereich, Hochschule und Handel. Wir haben dazu einen Vorschlag unterbreitet, das auch an den Einfallstraßen der Stadt durch eine pfiffige Beschilderung kund zu tun.
  5. Zuschuss für Brunnenpark: Bereits einmal verschoben. Wir gehen davon aus, dass die Umsetzung in 2017 erfolgt.(50.000 €)
  6. Entlastung des Dieksees: Bereits einmal verschoben. Wir gehen davon aus, dass die Umsetzung in 2017 erfolgt.(75.000 €)
  7. Stadtteiltreff Stroot: Bereits einmal verschoben. Wir gehen davon aus, dass die Umsetzung in 2017 erfolgt. (52.000 €)
  8. Ärztehaus (Rathaus II): Nachdem wir bereits fertige Entwürfe gesehen haben und Geld im Haushalt 2016 stand, startet man wieder einen neuen Versuch, das Haus zu beleben. Dies wird von uns begrüßt und wir hoffen, dass der zweite Anlauf erfolgreich sein wird.
  9. AWO-Projekt: Der SKM und der SKF sind uns lieb und teuer. Auf unseren Vorschlag hin soll auch die AWO sich um ein Projekt kümmern können. Dafür stehen 10.000 € im Haushalt.
  10. Johannesschule: Wiederaufbau der Turnhalle an der Johannesschule

Die SPD wird dem Haushalt zustimmen und geht davon aus, dass unsere kritischen Anmerkungen ein Anstoß zum Umdenken sind.