Rede zum Haushalt der SPD-Fraktion der Stadt Lingen

23. März 2023

Niels Schokemöhle, Bild: © Fotostudio Klus Lingen

Die Rede zum Haushalt der Stadt Lingen von Niels Schockemöhle, stellv. Schriftführer des SPD Ortsvereins Lingen (Ems), Mitglied im Rat der Stadt Lingen (Ems), Mitglied im… Finanzausschuss, Ausschuss für Umwelt, Klima und Nachhaltigkeit und Betriebsausschuss Emslandhallen.

Sehr geehrte Frau Ratsvorsitzende, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, Vertreter der Verwaltung, der Presse sowie liebe Mitbürger und Mitglieder des Rates, persönlich endet nun meine zweite Haushaltsberatung als Mitglied im Finanzausschuss und des Rates der Stadt Lingen (Ems). Nach Abschluss von Beratungen steht für mich immer eine persönliche Reflexion und Bewertung an. Dazu gehört es für mich auch Schwerpunkte zu identifizieren, um so die eigene Arbeit effizient zu gestalten. Hierbei ist mir im vergangenen Jahr bereits der Stellenwert der jährlichen Haushaltsreden überraschend aufgefallen. Wir halten uns hier ewig lange Monologe die teilweise keinerlei Bezug mehr zu dem Haushalt haben und in Grundsatzreden ausarten, anstatt ziel- und sachbezogene Reden zu halten. Das erstaunliche dabei ist, dass wir viel Zeit und Arbeit in die Vorbereitung dieser Reden stecken und es offensichtlich niemanden interessiert. Nicht einmal den Großteil der heute anwesenden Ratsmitgliedern interessiert es, wie ein Blick in die Runde offenbart. Da ergibt sich für mich persönlich eine deutliche Diskrepanz im Aufwand-Nutzen-Vergleich. Deswegen habe ich mich persönlich dazu entschieden mich heute vergleichsweise kurz zu fassen und meine Kapazitäten lieber für projektbezogene politische Arbeit zu nutzen. Dieser beschriebene Aufwand und diese Intensität, die in den Reden gesteckt wird, genau diesen vermissen wir leider in den vorgelagerten Beratungen.

Die Haushaltsberatungen der Teilhaushalte und Produkte erfolgt bekanntlich in den jeweiligen Fachausschüssen. Hier sitzen die selbsternannten politischen Experten. Nach Ansicht der SPD-Fraktion müssten deswegen logischerweise zukünftig hier eigentlich auch die Haushaltsanträge zu den jeweiligen Produkten und Teilhaushalten beraten werden und nicht ausschließlich in der letzten Sitzung des Finanzausschusses. Nach 2 Jahren Haushaltsberatungen muss ich nun ernüchternd feststellen, dass in den Ausschüssen die Teilhaushalte häufig nur kurz angerissen werden und dabei kaum Beratungen stattfinden oder Fragen zu den Teilhaushalten gestellt werden. Wenn ein Ratsmitglied wie bspw. Dr. Bendick dies doch versucht, blickt man in genervte Gesichter und bekommt direkt reflektiert, dass dies von anderen Fraktionen als zeitraubend und nervend erachtet wird.

Anschließend werden dann kurz vor den abschließenden Beratungen im Finanzausschuss überraschend eine Vielzahl von Anträge zum Haushalt gestellt über die vorher in den Fachausschüssen kein Wort verloren wurde. Gleichzeitig sind diese Anträge extrem spezifiziert, sodass die Mittel sehr punktuell für die beantragte Angelegenheit eingesetzt werden müssen. Die Genehmigung dieser Mittel sorgt dafür, dass die Fachberatungen in den Ausschüssen praktisch übergangen werden. Denn wenn die Mittel erstmal mit Mehrheitsbeschluss für die Projekte eingeschrieben wurden, werden diese anschließend natürlich auch hierfür verwendet und wird sich die Mehrheit nicht dagegen wenden. Denn das Geld ist dann ja nun mal da. Faktisch wird die abschließende Beratung im Finanzausschuss genutzt, um die Fachausschüsse und die damit verbundenen Beratungen auszuhebeln und zu übergehen. Wir wollten diese fachliche politische Beratung und die Hinzugewählten beratenden Mitglieder in diesem Jahr nicht übergehen und wollten dieses Jahr anders vorgehen. Deswegen haben wir testweise mehrere offene Anträge gestellt bei dem Budgets eingeschrieben werden sollten ohne direkte Projektbelegung. Innerhalb dieser Budgets wäre dann in den darauffolgenden Fachausschüssen Spielraum im Rahmen der politischen Beratungen gewesen, um diese Mittel mit Projekten zu belegen. Diese bundesweit übliche Vorgehensweise war für Lingen leider offensichtlich zu innovativ. Dementsprechend stieß es auf mehrheitliche Ablehnung.

Dabei ist der Haushalt kein „Wünsch dir Was“ und stehen viele Lingener Bürgerinnen und Bürger vor existenzgefährdende Herausforderungen. Beispielsweise sind die Mieten für viele kaum noch bezahlbar und muss die Stadt hier deutlich aktiver werden. Selbstverständlich begrüßen wir dabei die weitere Stärkung der LWB, aber müssen darüber hinaus auch weitere Wege verfolgt werden und die Stadt sich breiter aufstellen. Die Stadt Lingen muss auch für private Investoren und Vermieter deutliche Anreize schaffen den sozialen Wohnungsbau vorzunehmen. Dies kann nicht ausschließlich über die LWB erfolgen. Hierfür wollten wir zusätzlich 1 Millionen Euro als Budget bereithalten. Im Rahmen dieses Budget für Wohnungsförderung sollte nicht nur die Wohnungsgenossenschaft gefördert werden, sondern hätten beispielsweise auch Förderprogramme für Altbausanierung zur Schaffung von sozialen Wohnraum aufgebaut werden können. Daneben wären zahlreiche Maßnahmen entsprechend den späteren politischen Beratungen möglich gewesen. Dies wurde leider genauso abgelehnt wie die Bereithaltung von 300.000€ zur Schaffung eines einheitlichen Kita-Essen-Preises. Bei beiden Themenfelder haben wir den Antrag derart offengelassen, dass die genaue Ausgestaltung durch die Verwaltung und den Fachausschüssen erfolgen sollte. So wie es unserer Ansicht nach zukünftig erfolgen müsste. Leider wurden beide Ansätze im Finanzausschuss abgelehnt. Selbstkritisch betrachtet, hätten wir dieses Vorgehen unter Umständen vorab den anderen Fraktionen auch genauer erklären sollen.

Die SPD Fraktion hat den Umbau der Ulanenstr. zur B 213 mitgetragen. Hiervon profitierte der Stadtteil Damaschke im Besonderen wegen des gesunkenen Schwerlastverkehrs und den damit einhergehenden geringeren Lärmbelästigungen. Der Ortsteil Brögbern hat bisher keine Entlastungen durch den neuen Verlauf der B 213 erhalten. Wir, die SPD Stadtratsfraktion sowie auch der Ortsrat Brögbern, fordern seit Jahren, dass auch die sogenannte „Hannoveraner Siedlung“ vom Lärm entlastet wird. Leider finden wir kein Gehör bei der Verwaltung oder bei den anderen Fraktionen im Stadtrat. Nicht einmal Planungskosten werden im Haushalt eingestellt. Wie wir meinen ein Affront gegen einen ganzen Ortsteil.
Außerdem fragen wir uns, warum der Verwaltung in der Finanzausschusssitzung am 15.02. nicht bekannt war, dass weitere 300.000€ für die Grundschule Clusorth Bramhar benötigt werden. Der Schulausschuss hatte wenige Tage vorher getagt und hier ist kein Wort darüber gesprochen worden. Darüber hinaus sind lediglich 4% Lohnsteigerungen im Haushalt einkalkuliert worden. Wir sehen dies bei der derzeitigen Inflationsrate verbunden mit den Forderungen von Ver.Di und des ersten Arbeitgeberangebotes im Rahmen der laufenden Tarifverhandlungen als zu niedrig an. Wir haben hier eine vorsichtigere Haushaltsführung und die Berücksichtigung von 7% Lohnsteigerung gefordert. Wir sind fest davon überzeugt, dass diese nun kalkulierten 4% zu niedrig sind und die Stadt hier im laufenden Jahr noch mit deutlichen außerplanmäßigen Mehrkosten konfrontiert sein wird.

Wir werden den Haushalt 2023 heute ablehnen! Dies machen wir nicht, weil die Stadt erstmalig seit geraumer Zeit mit einem deutlichen negativen Ergebnis rechnet. Nach dem heute vorliegenden Beschluss rechnen wir im Ergebnishaushalt beispielsweise mit einem Defizit in Höhe von 8,9 Mio Euro. Gerade der Fehlbetrag im Ergebnishaushalt konnte von unserer Stadtkämmerin Frau Schwegmann jedoch verständlich begründet werden. In Anbetracht der vergangenen Jahresabschlüsse und mit Blick auf die mittelfristige Planung die ab 2024 wieder durchweg positive Jahresergebnisse ausweist sowie der bestehenden hohen Rücklagen in Höhe von rd. 56,3 Mio Euro, ist diese Ausnahme völlig akzeptabel. Wir sehen auch einige gute Ansätze und Schwerpunkte im Haushalt. Wir lehnen den Haushalt auch nicht ab, weil unsere Anträge abgelehnt wurden. Für persönliche Empfindlichkeiten ist der Haushalt zu wichtig und von elementarer Bedeutung für die Stadt. Wir lehnen den Haushalt teilweise deswegen ab, weil wir gerne die Themen sozialer Wohnungsbau und Abschaffung der Ungleichheit beim Kita-Essen stärker unterstützt haben wollten. Wir lehnen den Haushalt aber in erster Linie ab, weil wir mit den erfolgten Beratungen der letzten Jahren derart unzufrieden sind, dass wir hiermit nun ein deutliches Zeichen setzen wollen und hoffen das der Haushalt zukünftig von allen Parteien komplexer betrachtet wird und die Beratungen auch bzw. gerade in den Fachausschüssen entsprechende Stellenwerte einnehmen.

Zumindest begrüßen wir ausdrücklich den Beschluss über die Verabschiedung eines Doppelhaushalt 2024 /2025. Hierdurch sehen wir die Möglichkeit einer Flexibilisierung und Optimierung in der Verwaltungsarbeit. Durch einen Doppelhaushalt erhalten wir die Chance eine vorläufige Haushaltsführung zwischen Ablauf des alten Haushaltes und Inkrafttreten des neuen Haushalts zu umgehen. Wodurch wir einen Zeitraum gewinnen, währenddessen effizient an neue sowie laufende Projekte gearbeitet werden kann, Aufträge vergeben werden können und die Verwaltung schlussendlich Zeit für die Umsetzung der zahlreichen offenen Projekte gewinnt. Daneben gewinnt die Verwaltung an Kapazitäten die mit der Erstellung des Haushaltsentwurfs 2025 und den Beratungen gebunden wären. Durch die Option im Zweifel einen Nachtragshaushalt zu verabschieden, behalten wir gleichzeitig die Handlungsoption flexibel auf Entwicklungen zu reagieren.

Nun liebe Kolleginnen und Kollegen reflektiert euch selbst und fragt euch, ob euch die letzten Sätze bekannt vorkommen. Ich nehme an die wenigsten können dies ehrlich mit Ja beantworten. Dabei waren diese Sätze copy and paste aus meiner Haushaltsrede aus dem vergangenen Jahr, wo ich dies mit Blick auf einen möglichen Doppelhaushalt 2023/2024 bereits gesagt habe. Lediglich die Jahreszahlen musste ich doch anpassen. Abschließend so viel zum Thema Aufmerksamkeit und Stellenwert der Haushaltsreden.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit einiger weniger.